Schriftliche Erklärung zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung [...] vor COVID-19
Das Anliegen der Bundesregierung und des Parlaments, die Bevölkerung und insbesondere vulnerable Gruppen vor COVID-19 zu schützen, unterstütze ich.
Ich halte jedoch insbesondere die in § 28 a und § 28 b des vorliegenden Gesetzentwurfs aufgeführten Maßnahmen für unverhältnismäßig und nicht angemessen. Diese treffen in besonderem Maße die Kultur- und Freizeitbranche, Tourismus- und Veranstaltungswirtschaft und Gastronomie, ohne dass es wissenschaftliche Erkenntnisse gäbe, dass diese Bereiche für die Verbreitung von COVID-19 eine besonders relevante Rolle spielen. Im Gegenteil ist der Expertenrat der Bundesregierung zu der Erkenntnis gekommen, dass sich kein Zusammenhang zwischen Schärfe der Sanktionen und Entwicklung der Inzidenzen nachweisen ließe. Das Robert-Koch-Institut hat das Infektionsrisiko in Hotels als sehr niedrig eingestuft - und das zu einem Zeitpunkt, wo die Immunisierung der Bevölkerung durch Impfung oder Genesung bei weitem nicht so fortgeschritten war wie heute. Dennoch sind die genannten Branchen erneut von einschneidenden Maßnahmen bedroht.
Zwar ist positiv festzustellen, dass die Verhängung von Maßnahmen jeweils eines Parlamentsbeschlusses bedarf. Es ist auch zu begrüßen, dass die Länder keine Betriebsschließungen mehr vornehmen können, ohne dass der Bundestag zuvor eine epidemische Notlage von nationaler Tragweite festgestellt hat. Allerdings befugt der vorliegende Gesetzentwurf die Länder dazu, ggf. eine Testpflicht für den Zutritt zu z.B. Gaststätten und Veranstaltungsorten zu verhängen. Das kommt einer Schließung durch die Hintertür gleich, wenn nicht zugleich Bürgertests kostenlos zur Verfügung gestellt werden müssen. Damit wäre auch die Teilhabe wirtschaftlich schlechter gestellter Bevölkerungsgruppen gefährdet.
Weiterhin kritisiere ich, dass es keine bundeseinheitlichen Kriterien gibt, wann welche Maßnahmen verhängt werden können. Die Ermächtigung für die Länder wird erneut zu einem größtenteils nicht kontrollierbaren Flickenteppich führen. Die Erfahrungen aus zwei Jahren zeigen, dass offenbar nicht wissenschaftliche Erkenntnisse bestimmend sind, welche Maßnahmen wann verhängt oder wieder zurückgenommen werden. Ein Überbietungswettbewerb zwischen den Ländern ist nicht auszuschließen.
Tourismusbranche, Gastronomie, Freizeitwirtschaft, Kultur- und Veranstaltungsbranche sehen sich einschneidenden Auflagen, zusätzlichen Belastungen und Umsatzverlusten gegenüber, in einer ohnedies durch die weltpolitischen Ereignisse schwierigen Lage.
Nur dass die Betroffenen nicht länger durch Corona Hilfen abgesichert sind.
Ich erlebe bei meinen Kollegen aus dem Kulturbereich, dass diese ab Oktober kaum noch Engagements haben, weil Veranstalter vor dem finanziellen Risiko zurückschrecken, Events zu planen. Sie befürchten, Veranstaltungen erneut absagen oder mit erheblich reduzierter, nicht kostendeckender Teilnehmerzahl durchführen zu müssen. Ähnliches ist auch im Messebereich zu beobachten.
Auch Veranstalter von Volksfesten und Weihnachtsmärkten, Schausteller und Gewerbetreibende müssen befürchten, dass Veranstaltungen und Märkte erneut kurzfristig abgesagt werden müssen und keine oder stark verringerte Einkünfte haben. Gastronomen und Beherbergungsbetriebe befürchten die Absage von Weihnachtsfeiern, Silvesterveranstaltungen oder starke Einschränkungen in den Winterferien.
Reisen ist grenzüberschreitend. Ein föderaler Flickenteppich ist da schieres Gift. Zumal, wenn unsere europäischen Nachbarn offener agieren, deutlich engagierter zur Normalität zurückkehren.
Ich habe in den vergangenen Monaten mit vielen Vertretern der Reisebranche gesprochen, die mir eindringlich vermittelt haben, welche enorme Belastung die Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen und Schließungen für siebedeutet haben. Dabei wurde auch immer deutlich, dass die Branche CoronaMaßnahmen keineswegs ablehnt. Im Gegenteil. Den Betrieben ist sehr daran gelegen, Mitarbeiter und Gäste zu schützen. Branchenvertreter haben frühzeitig darum geworben, verlässliche und verhältnismäßige Regeln, die bundesweit bzw. europaweit gelten, vorzulegen, damit sie sich darauf einstellen können.
Der sich nun abzeichnende Wildwuchs an Verordnungen ist nichts dergleichen. Das Gesetz schafft neue Unsicherheiten, die dort verankerten Maßnahmen gefährden selbständige Existenzen und Betriebe und damit Arbeitsplätze, die durch Einsatz und Ideenreichtum von Mitarbeitern und Unternehmern - oft unterstützt durch Corona-Hilfen - mit hohem Aufwand durch die Krise gebracht worden sind, die zudem viel Geld in Schutzmaßnahmen und Konzept investiert haben, was bedauerlicherweise keine Berücksichtigung findet.
Ich werde deshalb dem Gesetzentwurf nicht zustimmen.
Tippelt Erklärung nach §31 2022-09-08_1.pdf (152.29 KB)